Ein etwas überspitzer Blog, mit einem Augenzwinkern 😉. Wie viel Wahrheit für dich dahinter steckt, entscheide selbst.
Aus der Sicht meines damaligen ICH's:
Als ich 2019 für 10 Wochen nach Bali, Lombok und auf die Gilli Inseln reiste und vor allem viel Zeit auf Bali verbrachte, dem angeblichen "Yogamekka", wurde meine Vorstellung von Yoga ordentlich auf den Kopf gestellt. Plötzlich sah ich mich umgeben von jungen, makellosen Yogis, die sich verbogen, als wären sie Gummibärchen in sehr schlanker Gestalt. Ich, mit meiner damaligen sehr bodenständigen Hatha Praxis, fühlte mich wie ein Elefant unter Gazellen 😫.
Zu erwähnen ist, ich mochte mich damals so gar nicht in meiner Haut. Es fehlte mir ganz viel Selbstbewusstsein. Ein Teil hat gespürt, dass das nichts für mich ist und doch konnte ich mich dem nicht völlig entziehen.
Manche Studios waren so hip, als wären sie aus einem Lifestyle-Magazin entsprungen. Wie soll es anders sein, überall perfekt gestylte Menschen in makelloser Yogakleidung, wo mehr oder weniger alle gleich aussehen und man meinen könnte, sie laufen einfach im Mainstream der Masse nach. Es gab sicher auch "normale" wie ich, die habe ich damals wohl übersehen... 🤷♀️ Die Versuche, besonders einzigartig und gleichzeitig authentisch zu wirken, scheiterten aus meiner Sicht. Bei mir - als auch bei vielen anderen.
Man konnte spüren, dass viele nach geistiger Freiheit und Weite strebten, auf der Suchen waren – genau wie ich, doch gleichzeitig schufen sie sich ein neues Gefängnis aus strengen Yogatrends und Ernährungsregeln. In ihrem Bemühen, frei von Bewertungen zu sein, bewerteten und kategorisierten sie sich selbst und andere ständig neu. Ernährung als neue Religion in vielen verwestlichten Gegenden Balis auserkoren. Ja, ich ernähre mich auch liebend gern gesund und ausgewogen, aber ohne Zwänge. Ich kam mir so weltfremd vor, jeder sprach von Nutrition, Greens, Bowls - Foodtrends die ich bis dato aus meinem bisherigen Dorfleben und selbst von einer Costa Rica Reise nicht kannte.
Diese Szene zeigte mir, wie schnell der Wunsch nach Selbstfindung in neue Zwänge umschlagen kann, wenn man nicht aufpasst. Die vermeintliche Befreiung durch Yoga wurde hier oft zu einer neuen Form der Selbstbeschränkung und Selbstdarstellung. Sehen und gesehen werden.
Ich landete unwissend in Yogaklassen wo Posen eingenommen wurden (war aber meine Schuld, ich habe mich nicht informiert), von denen ich nur träumen konnte. Ich verkroch mich lieber in der letzten Reihe und fragte mich, ob ich im falschen Film gelandet war. Je fordernder die Posen wurden, desto mehr landete ich in der Position des Kindes, schnaufend und mich fragend, was ich hier tu. Nicht falsch verstehen, nichts spricht gegen fortgeschrittenes Yoga 😊. Ich war eben in der falschen Klasse.
Ich habe mich schon lange nicht mehr so fehl am Platz und unwohl in meiner Haut gefühlt (die obendrein auch ziemlich blaß war, da ich im Jänner nach Bali kam). Übrigens, als ich dann wiederholt in die hippen Studios ging (ich mache gerne "Fehler" mehrmals) und mir endlich eingestanden habe, dass das nichts für mich ist, ab dem Zeitpunkt ging ich dann in die nicht so hippen Yogastudios 🙈.
Die Yogalehrerinnen schwebten förmlich durch den Raum, als hätten sie die Erleuchtung persönlich gerade erfahren. Ihre Anhänger hingen an ihren Lippen, als würden sie das Geheimnis des Universums enthüllen. Die ständige "Singsang"-Sprechweise der "Gurus" trieb mich fast in den Wahnsinn – Tut mir leid, das klingt sehr überspitzt, aber in meiner Wahrnehmung, war das echt zu viel des Guten.
Statt der bunten Mischung von Jung und Alt, die ich von zu Hause kannte, fand ich mich in einer Blase wieder, in der "Mindfulness" zum Wettbewerb verkommen war. Jeder schien "mindfuller" als der andere, während sie ihre perfekt ausbalancierten Smoothie Bowls in westlichen Hipster-Cafés löffelten.
Es fühlte sich an, als sei ich in einer "Scheinlebenswelt" gelandet - einer Bubble von westlichen Menschen, die nach außen hin super spirituell taten und extrem auf ihren Körper achteten, aber in Wirklichkeit sehr mit ihrem Äußeren beschäftigt und identifiziert waren. Die Yogaphilosophie schien oft nur Fassade für einen ausgeprägten Körperkult zu sein.
Yoga, wie ich es verstehe sowie gelernt habe und praktiziere, findet grundsätzlich im Energiekörper statt - dort, wo Bewegung und Atmung im Einklang sind und die Lebensenergie zu fließen beginnt. Es geht um inneren Frieden und darum, das Ego loszulassen - nicht darum, es durch Likes auf Instagram aufzupolieren. Natürlich unter Beachtung, dass wir alle einfach Menschen sind...
Mein Bali-Abenteuer wurde so zu einer Lektion in Kontrast: zwischen authentischer Praxis und kommerzialisierter Spiritualität, zwischen innerer Arbeit und äußerem Schein. Es zeigte mir, wie weit sich der moderne "Yoga-Lifestyle" von den wahren Wurzeln der Tradition entfernt hat.
Die fünf Koshas des Yoga - vom physischen Körper bis zum Glückseligkeitskörper - schienen hier oft auf die äußerste Schicht reduziert zu werden. Dabei geht es doch darum, alle Ebenen zu durchdringen und nicht an der Oberfläche hängenzubleiben, so dachte ich zumindest. Naja, in Bali hatte ich andere Eindrücke...
Neben Yoga war es total angesagt ins "Gym" zu gehen - Fitness Studio klingt einfach zu uncool und sich anschließend einen Avocado Toast in den von zahlreichen westlichen Menschen betriebenen Bali- Lokalen zu gönnen.
In der Gegend Canggu (aber auch Ubud) war das digitale Nomadentum allgegenwärtig. Laptop-Arbeit, Selfies und Food-Fotografie waren "Pflicht", um dazuzugehören. Die Szene war eindrücklich und teilte sich in zwei Lager: Authentische Digitalnomaden und jene, die es vorgaben zu sein. Letztere versuchten in meiner Wahrnehmung krampfhaft, cool und unnahbar zu wirken.
Wenn du kein erfolgreiches Online Business hattest - oder zumindest so getan hast, als hättest du eines im Aufbau - warst du einfach nicht Teil der Gruppe. Ich glaube, da waren so viele Blender dabei. Entweder hast du mitgespielt oder den Kopf eingezogen, cool gewirkt und einfach am Handy gehangen. Weiß ja keiner, dass du in Wirklichkeit einen normalen Offline-Job daheim hast.
Teilweise versuchte ich mitzumachen. Ich denke mir im Nachhinein meinen Teil über mich selbst. Wie ich von Zeit zu Zeit meine Smoothie Bowl gefeiert habe. Ich habe mich damals in Canggu mit meiner Cousine Franziska getroffen, die gerade im asiatischen Raum unterwegs war. Ich weiß noch, wie schnell sie von Canggu abgerauscht ist, weil ihr dieses Verwestlichte nichts gab. Ich hätte auch früher abreisen sollen, denn ich fühlte mich dort stets leer und unverbunden. Verloren und einsam unter vielen, weil ich mich auf der Suche nach mir selbst, im Außen verloren habe.
In diesen Cafés bediente einheimisches Personal, das oft nur scheinfreundlich wirkte - verständlicherweise - bei der Arroganz der Touristen die förmlich wie eine Wolke im Lokal hing. Ach ja, geführt wurden diese Cafés natürlich von westlichen Menschen, bedienen durften dann die Einheimischen 😉. Ich nehme an, ohne Entlohnung nach westlichen Standards.
Letztendlich war es eine Erinnerung daran, dass wahres Yoga nicht in pittoresken Instagram-Posts oder exklusiven Studios zu finden ist, sondern in der stillen Verbindung mit unserem inneren Selbst - egal ob auf einer Luxusmatte in Bali oder auf dem abgenutzten Teppich im eigenen Wohnzimmer. Ob im Pyjama oder in der ausgebeulten Jogginghose und im T-Shirt das die besten Jahre bereits erlebt hatte.
Yoga in der abgeschiedenen Bali Bubble zu praktizieren unter "Gleichgesinnten", wo ein Schaf dem anderen gleicht ist die eine Sache. Yoga und echte menschliche Werte im Alltag zu leben ist eine andere Sache. Was diese Menschlichkeit betrifft, ja die habe ich rückblickend dort teils sehr vermisst. Das Personal arrogant behandeln, mit dem Fahrer um jede Rupiah feilschen und sich dann 10 mal im Spiegel betrachten ob das Outfit für die Yogastunde sitzt. Ok, das mit dem Spiegel betrachten ob das Outfit sitzt gebe ich zu, habe ich auch gemacht 🙊 . Dieser Druck gut auszusehen, war halt schon arg, weil ja alle soooooooo schööööön waren. Männer und Frauen wie aus dem Ei gepellt, da fühlt man sich mit seiner ausgeleierten Hose und den damalig niedrigen Selbstwert halt noch kleiner 🙈😂.
Naja und abends dann auf die Yogamatte springen und Mantren singen. Sehr schön yogisch.
Diese Erfahrung hat mich in meiner Überzeugung bestärkt: Yoga ist kein Wettbewerb, kein Modetrend und schon gar kein Mittel zur Selbstdarstellung. Es ist ein Weg zu sich selbst, der weder Alter noch perfekte Posen oder Körper kennt. Mehr Sein als Schein.
Dieser Artikel bedeutet nicht, dass ich Bali, digitale Geräte, neue adrette Kleidung, Leggings, schöne Yoga Shalas, Avocado-Toast, und alles "Weltliche" künftig meide. Oder, dass ich mich nicht um mein Äußeres kümmern werde und mir generell alles Äußere vollkommen "wurscht" sein wird.
Vielmehr werde ich bewusster reisen und übermäßig verwestlichte Orte nach Möglichkeit umgehen. Die dortige Kultur, Natur und Einheimische wertschätzen und respektieren (was ich sowieso immer versuche zu tun). Ich werde auch nie mit Hotpants und Tanktop in hinduistischen, buddhistischen oder muslimischen Städten herumlaufen.
Mit mehr Selbstbewusstsein als früher kann ich heute viele dieser Aspekte sowieso gelassener betrachten 😄 und mich in meiner ausgeleierten Hose pudelwohl fühlen, sofern mir danach ist sie zu tragen. Wie ich Bali heute wahrnehmen würde, kann ich dir nicht sagen, weil ich seither nicht mehr dort war und generell längst nicht alles gesehen habe.
Namaste, Christina